Fotos der Ausstellung "Neue Wege - Neue Gruppe - Comtemporary"
in der Landkreisgalerie Passau auf Schloss Neuburg am Inn 2018

Alle Fotos   ©   Copyright by Trisha Kanellopoulos





Passauer Neue Presse, Feuilleton vom 22.08.2018 (Foto und Text: Gabriele Blachnik)






Die teilnehmenden Künstler der NEUEN GRUPPE vor Schloss Neuburg am Inn

"Neue Gruppe - Neue Wege – Contemporary"
in der Landkreisgalerie auf Schloss Neuburg am Inn.

Einführungsvortrag am 7. Juli 2018 von Reinhard Fritz, Ehrenpräsident der Neuen Gruppe.


Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich könnte Sie jetzt auf eine Traumreise mitnehmen, in die Traumstadt Perle, die ein Magier gegründet hat, ich könnte von seinem Widersacher erzählen, der das Traumreich mit den Fortschritten der Neuzeit zu erschliessen sucht, ich könnte von apokalyptischen Selbstvernichtungsvisionen berichten, gleichwohl den Taumel orgiastischer Wildheit vermitteln und Wolken seltsamer Insekten beschreiben, das wäre - kurz angedeutet - der Inhalt des phantastischen Romans "Die andere Seite" von Alfred Kubin, der bis zu seinem Tod 1959 auch Mitglied der Neuen Gruppe war. Auf der anderen Seite des Inns, in Österreich, ist das Kubin-Haus Zwickledt in der Gemeinde Wernstein, welches von Institutionen beidseitig des Inns mit Ausstellungen bespielt wird, die dem Phänomen der Zeichnung und der Faszination Alfred Kubins nachzuspüren sollen.

Neben Alfred Kubin wären noch Karl Hofer, Max Beckmann, Karl Schmidt-Rottluff, Willi Baumeister und viele andere als weitere Mitglieder der Neuen Gruppe zu nennen. Sie sehen also, die NEUE GRUPPE kann auf eine Vielzahl großer Namen verweisen, die seit der Gründung 1946 an den Ausstellungen und deren Organisation beteiligt waren. Die NEUE GRUPPE wurde zwar in München gegründet, hatte und hat aber Mitglieder in allen Bundesländern und auch im Nachbarland Österreich. Bis heute ist sie ein Zusammenschluss bildender Künstler aus allen Disziplinen wie Malerei, Bildhauerei, Plastik, Zeichnung, Grafik, Foto, Installation, Video, Performance.

Die Neue Gruppe hat aber auch jahrzehntelang zusammen mit der Münchner Secession und der Neuen Münchner Künstlergenossenschaft die Große Kunstausstellung im Haus der Kunst München ausgerichtet, die es in dieser Form ja nun nicht mehr gibt. Zu unserem 70-jährigen Jubiläum haben wir eine Festschrift mit einem ausführlichen Text von Prof. Andreas Kühne und zahlreichen Abbildungen herausgegeben, die unsere Vergangenheit und die gegenwärtig aktiven Mitglieder darstellt.

Aus dieser geschichtlichen Dimension ist der Titel dieser Ausstellung "Neue Gruppe - Neue Wege – Contemporary" zu verstehen. Wie diese Neuen Wege aussehen könnten, das erproben wir zur Zeit.

Das Bewusstsein in unserem Künstlerverband nicht nur jetzt sondern seit seines Berstehens, lässt sich vielleicht so darstellen: Jeder muß alles neu, in eigenständiger Begegnung erfinden. Die Zeichen und Formen eines anderen einfach zu übernehmen, erscheint uns als unerlaubte Abkürzung des Weges vom Erleben zum Werk, geradezu als eine Ausbeutung höchstpersönlicher Errungenschaften. Aber gerade durch diesen Zwang zum Persönlichen, ergibt sich eine Fülle von Verbindungen zwischen den Werken der einzelnen Künstler.

Ich möchte in der Folge Formulierungen und Zitate aus den Künstlerstatements verwenden, die in unserer Festschrift publiziert wurden. Eine häufig geäusserte Ansicht könnte ich etwa so zusammenfassen: Die Ästhetik steht bei meinen Arbeiten im Vordergrund. Die Arbeiten sind eindeutig und kommentarlos, sie sollen nichts erklären und erfordern keine Interpretation, gleich welcher Art. - Das mag dem Betrachter vielleicht hermetisch und abweisend vorkommen, gleichwohl kann man natürlich zu den Werken etwas sagen und z.B. über die eigene Wahrnehmung sprechen.

Hilde Seyboth, die in dieser Ausstellung mit einer Arbeit zu sehen ist, die auf Alfred Kubin Bezug nimmt, sagt: Meine künstlerischen Arbeiten umkreisen die Themen Zeit – Raum – Körper, ein Erforschen der inneren Zusammenhänge der Welt und den eigenen Standort darin. Immer wiederkehrende Motive bei ihr sind Häuser, Boote, Archen, und die Techniken umfassen Zeichnungen, Skulpturen, Fotoarbeiten, Videoarbeiten, die Materialien sind dabei vielfältig.

Bei Zita Habarta entstehen aus experimentell im Computer entwickelten Bausteinen neue Existenzen, Möglichkeiten und Assoziationen. Ihr Baukasten, heisst es in einem Text zu ihren Arbeiten, greift aus in eine andere Welt, eine andere Physik, die eigene Koordinaten hat.

Zwei sehr unterschiedliche Künstler dieser Ausstellung arbeiten beide mit Erde, die sie aus verschiedenen Regionen der Welt einsammeln.

Trisha Kanellopoulos sagt zu ihrer künstlerischen Intention: Ich erstelle Farben aus Erden aus aller Welt um die Ästhetik der Linie und die Eleganz der Landschaft zu begreifen. Meine Seheindrücke wirken sich auf meine Malerei aus und reflektieren sich in meinen Bildern. Dadurch entsteht eine Balance zwischen Strenge und Beweglichkeit.

Und für Ekkeland Götze sind seine Erdbilder authentische Bilder der Orte, an dem die ERDE gewonnen wurde. Sie sind eine Plattform für interkulturelle Kommunikation und bieten einen Assoziationsraum, der vom Betrachter mit eigenen Gedanken, Erinnerungen und Hoffnungen gefüllt werden kann. Er hat zuzr Gewinnung seiner Erden ziemliche abenteuerliche Reisen unternommen.

In der Bildenden Kunst gibt es natürlich ganz verschiedene Materialen, Medien und Methoden. Bei den Materialien wie Stein, Kunststoff und Papier ist Dieter Kränzlein ein Meister darin, die Grenzen jedes dieser Materialien auszuloten, und Rhythmus und Spannung so einzusetzen, dass der Betrachter immer wieder neu überrascht und in Bann gezogen wird.

Die Konkrete Kunst in ihren unterschiedlichsten Formen ist in der Neuen Gruppe mehrfach vertreten. Drei Künstlerinnen möchte ich als Beispiele dafür anführen. Für Erica Heisinger sind alle ihre Objekte Konkret-Konstruktiv. Mit genauer Bildorganisation, dreidimensional, tektonisch greifen sie in den Raum und sind interaktiv. Durch die Bewegung des Betrachters offenbart sich die ganze Opulenz an Ausdruckskraft und geistiger Expressivität.

Sigrid Pahlitzsch schreibt: Farbe ist mit dem Trägermaterial zu einer je eigenen Bildphysis verdichtet, und es entsteht im rhythmischen Spiel der Farbfelder Bewegung in Fläche und Raum. So entfaltet sich Farb-Energie im Spannungs-feld von räumlicher Unbestimmheit von Farbe und geometrischer Form.

Und Maria Wallenstål-Schoenberg äussert sich so: Ziel und Mittel meiner malerischer Arbeit ist die Farbe selbst und ihre Emotion. Ich setzte mich kritisch und experimentell mit dem Pha?nomen Farbe auseinander, um immer wieder neue Kontraste, Farbkla?nge und Farblo?sungen zu finden.

Für das Verhältnis von Bildender Kunst und Sprache ist folgendes Beispiel aus einem Künstler-Statement so grundlegend, dass ich es gelegentlich in meinen Vorträgen verwende: Wenn ich z.B. von einem Farbton spreche und ROT sage, kann ich mir sicher sein, dass sich jeder von Ihnen ein unterschiedliches ROT vorstellt, wenn aber ein roter Farbton gezeigt wird, sehen alle das gleiche ROT, haben aber unterschiedliche Gefühle dazu.

Nicht allen Künstlern fällt es leicht ein Statement abzugeben. Bei manchen Künstlern ist die Arbeit ein langwieriger Prozess, bei dem verschiedene Wege erkundet werden. Die Auseinandersetzung mit dem Bild kann bisweilen über Jahre gehen, zeitweise kann auch Stillstand eintreten, der aber nie zur Aufgabe der Arbeit am Werk führt.

Für Diether Sommer ist seine Arbeit eine Art von Reflexion über Arbeit, Wissenschaft & Technologie und der Wirkung auf kulturelle und soziale Veränderung in unserer heutigen Gesellschaft. Seine künstlerische Basis liegt in der visuellen Darstellung, die narrativ verstanden werden sollte. Dabei orientiert sich die Wahl der Medien, die er verwendet, also anlog oder digital, Klang oder Performance, an dem Ort und dem Thema.

Damit ist sicher ein Aspekt angesprochen, der auch auf andere Künstler der Neuen Gruppe zutreffen könnte, ähnlich vielleicht wie die Intentionen von Brigitte Spielmann-Sommer, die dahin gehen, das ihre künstlerische Arbeit weitgehend auf persönlich Erlebtem und eigenen Erfahrungen basiert, und die sich daher eher als Lebenskünstlerin, und weniger als Fotografin, Videokünstlerin, Tänzerin, Texterin, bezeichnen würde. Die Methoden stehen bei ihr nicht im Vordergrund sondern das gemeinsame Wirken.

Nach unserer gemeinsamen Formulierung zeigt diese Ausstellung hier in Neuburg Entwicklungen, Tendenzen, Konzepte und Strategien von 28 Künstlern – und das sind bei weitem nicht alle Mitglieder - und präsentiert damit eine Show des künstlerischen Pluralismus im Nebeneinander, Miteinander- und Gegeneinander. Damit versteht sich die Neue Gruppe als heterogene Künstlervereinigung der Gegenwartskunst, die sich vor allem den Diskursen der Verschiedenheit, der Skepsis und des euphorischen Neubeginns verpflichtet sieht. Sie reflektiert und erforscht in dieser Ausstellung bildnerische Konzepte von Wahrheit, Wahrhaftigkeit, Glauben, Wissen und Vermuten. -

Wer spricht eigentlich heute noch von dem Abenteuer des Geistes, von der Freude, den Geist zu fordern, ohne konkreten Zweck? Vielen mag das vielleicht nicht bewußt sein, aber die Bild-Kunst obwohl sie immer neue Farben und Formen in manigfaltigen Gestaltungungen zeigt, diese Bild-Kunst zielt letztlich auf das Unsichtbare hinter der Erscheinung, auf den Raum, den der Geist braucht, um sich zu entfalten. Das mag Ihnen jetzt sehr kunstphilosophisch erscheinen, aber ich meine, dass man bei diesem Unterfangen auch auf das Spielerische kommen kann. Auf ein zweckfreies Spiel, dessen Regeln erfunden, variiert und weiter entwickelt werden.

Wenn Sie sich die Werke dieser Ausstellung gleich genauer anschauen werden - und damit wende ich mich besonders an die Besucher dieser Ausstellung - versuchen Sie doch einmal der Faszination Kunst spielerisch nachzuspüren. Wer weitergehen will kann sich mit den Techniken, sowie den Regeln der Gestaltung der Werke und deren Ausnahmen beschäftigen, so wie ich vorhin einiges angedeutet habe. Wenn Sie darüberhinaus bedenken, wie viel Persönliches, Schicksalhaftes eines jeden Künstlers ins Werk eingeht, das sich in der Gestaltung verwandelt, also in einen anderen, allgemein erfassbaren Zustand übergeht, dann sind Sie den Geheimnissen der Bildenden Kunst bereits auf der Spur.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.



Impressum: Künstlerverband NEUE GRUPPE e.V., Haus der Kunst, Prinzregentenstr. 1, 80538 München
Eingetragen beim Registergericht des Amtsgerichtes München, Aktenzeichen VR 4705
NEUE GRUPPE
HAUS DER KUNST MÜNCHEN